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Crop-Ear

Dr. Stephan Janz

Auf der Bundesversammlung des VDHC 1991 in Obersteinbach und auf der Mitgliederjahresversammlung des Highland Cattle Zuchtverbandes Niedersachsen am 1.11.1991 wurde beschlossen, dass zukünftig Bullen mit einem sogenannten "crop-ear" von der Körung zum Elitebullen ausgeschlossen werden sollen und dass Kühe mit crop-ear nicht als "Bullenmütter", d. h. als Elitekühe der Herdbuchhauptabteilung E (HHE) eingestuft werden sollen.

Als crop-ear wird eine Mißbildung der Ohrmuschel bezeichnet, die verschiedene Schweregrade aufweisen kann, von einer kleinen, nur tastbaren Einkerbung an der Ohrspitze bis hin zu einem tiefen schartenartigen Einriss, welcher das Ohr doppelzipfelig oder knotig verkrüppelt erscheinen lässt. Der Defekt ist angeboren und wird wahrscheinlich überwiegend dominant vererbt. Er tritt symmetrisch auf und lässt sich insofern relativ sicher von Defekten, die durch ausgerissene Ohrmarken entstanden sind, unterscheiden.

Die Missbildung galt als selten und deshalb bedeutungslos. (Ein Fieldsman der schottischen Society, der seit dreißig Jahren beruflich in einer der renommiertesten schottischen Herden mit Hochlandlindern arbeitet, hat diesen Defekt erstmals 1991 bei einem Besuch niedersächsischer Züchter zu Gesicht bekommen!). Seit eh und je funktionierte offenbar in Schottland der Selektionsmechanismus, der nur die alterbesten, korrektesten Tiere für die Herdbuchzucht reservierte, während alle anderen Tiere entweder direkt zum Schlachter gingen oder, im Falle der weiblichen Tiere, die robuste Grundlage für Kreuzungs-Mutterkuhherden bildeten. Erst seit die Rasse in den letzten Jahren weltweit einen Boom erlebte wie nie zuvor, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr. Statt in die Kreuzungszucht ging jetzt auch die zweite und dritte Wahl in die Herdbuchzucht, und sogenannte "commercials", d. h. rassetypisch aussehende, wahrscheinlich reinrassige Tiere ohne Papiere wurden systematisch über das "Vorbuch" in die Herdbuchzucht eingeführt. Ein großer Teil dieser Tiere ging in den Export. Zu einem "Thema" wurde das crop-ear erst jetzt über die Unzufriedenheit von Käufern, die entdeckten, dass sie für sehr viel Geld ein "missgebildetes" Tier gekauft hatten. Der Vorstand der schottischen Highland-Cattle-Society beschloss darauf 1989, Bullen mit crop-ear von der Körung auszuschließen und erweiterte diesen Beschluss später auf "crop-ear jeglichen Schweregrades". Über weibliche Tiere gibt es keinen förmlichen Beschluss.

In deutschen Herden scheint der Defekt nicht so selten zu sein. Seit darauf geachtet wird, sind mir alleine in Niedersachsen in fünf Herden Tiere mit einer Minimalvariante des Defektes bekannt geworden, in einem Fall habe ich bei einem jungen Bullen das Vollbild regelrecht zerfranster Ohren gesehen. In den hier beobachteten Fällen wurde der Defekt sowohl von der väterlichen, wie von der mütterlichen Seite mit hoher Penetranz vererbt; so gut wie alle Kälber wiesen crop-ears auf.

Ohrmissbildungen im Sinne der beschriebenen Schartenbildung sind sporadisch auch bei anderen Rinderrassen bekannt geworden und hinsichtlich ihres Erbganges untersucht worden. Übereinstimmend mit der Einschätzung der schottischen Society werden diese Ohrdefekte als wirtschaftlich bedeutungslose Exterieurmängel - Schönheitsfehler also - angesehen. Festzuhalten ist jedoch, dass über das crop-ear beim Hochlandrind außer, dass es aus gelegentlichen Beobachtungen eben bekannt ist, keine eingehenderen Untersuchungen angestellt wurden, so dass der genaue Erbgang nicht sicher bekannt ist (gibt es beispielsweise Tiere, die den Defekt selbst nicht zeigen, ihn aber weiter vererben?) und vor allem auch nicht bekannt ist, ob möglicherweise doch eine Vergesellschaftung der Ohrmissbildung mit einem anderen genetischen Fehler besteht, der erst dann zum Tragen kommt, wenn die Anlage von beiden Elterntieren zusammenkommt. Einen Hinweis auf diese Möglichkeit gab die Geburt eines nicht lebensfähigen, schwer missgebildeten Kalbes bei einem unserer niedersächsischen Züchter: die Mutter dieses Kalbes hatte crop-ears, der Vater scheint ein merkmalsfreier Crop-ear-Vererber zu sein, das Kalb hatte nur rudimentäre Ohranlagen und eine Zungenmissbildung, so dass es nicht saugen konnte und nicht überlebte.

Die oben referierten Beschlüsse als Empfehlungen an die herdbuchführenden Körperschaften der einzelnen Bundesländer sind sicher sinnvoll, um einen genetischen Defekt, der möglicherweise aufgrund der geschilderten Entwicklung in der deutschen Highland-Cattle-Population nicht ganz selten ist, an der weiteren Verbreitung zu hindern, zumal über die wirkliche genetische Bedeutung keine ausreichenden Kenntnisse bestehen. Dies bedeutet aber praktisch, dass jeder Bulle bei der Körung an beiden Ohren angefasst werden muss - das crop-ear ist mit dem Auge nicht zu erkennen, wenn es nicht sehr deutlich ausgeprägt ist.

Dasselbe gilt für die Muttertiere bei der Einstufung nach dem ersten Kalb. Züchter, die ihre Tiere zu diesem Zweck nicht angebunden präsentieren, müssten in Kauf nehmen, dass die Einstufung als "Bullenmutter" entweder abgelehnt oder ggf. unter dokumentiertem/EDV- erfasstem Vorbehalt geschieht. Das bedeutet schließlich auch, dass Käufer eines Tieres das Tier anfassen müssen, um sich neben der Identität des Fehlens oder Vorhandenseins von crop-ears zu versichern.



Erstveröffentlichung: Highland Cattle, 3/1992, S.9


Anmerkung: Weitere Artikel zu crop-ear wurden in Highland Cattle, 3/1992. S.12 und im Highland Cattle Journal, 4/1999, S.56 veröffentlicht.
In Finnland hat sich Matti Mäkelä sehr intensiv mit diesem genetischen Defekt befasst und ist gerne bereit sein Wissen mit Interessierten zu teilen (er versteht deutsch, englisch, schwedisch, finnisch, antwortet auf englisch oder finnisch). E-mail-Adresse: mamakela@cs.helsinki.fi 

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