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Almauftrieb in Norwegen

Dr. Stephan Janz 

Es ist der 21. Juni 1999, kurz vor der Sommersonnenwende, 6 Uhr morgens und auf den Wiesen liegt in der strahlenden Morgensonne ein Hauch von Raureif. Wir sind in Norwegen, genauer gesagt in Nordosterdalen und heute soll der Almauftrieb der Highland- (und Hereford-) Herde von Reidar Martin Steigen und Eric Mortensen beginnen.

Nordosterdalen ist eine gebirgige Gegend, gut 300 km nordöstlich von Oslo im Landesinnern gelegen. Traditionell ein Bergbaugebiet, wird heute in den Tälern auf etwa 400 - 500 m Höhe eine kleinflächige Landwirtschaft betrieben (Grünland und stellenweise Kartoffeln), ausgedehnte Nadelholzwälder reichen bis in eine Höhe von etwa 800 m. Darüber erheben sich die Berge mit weit ausgedehnten Hochmoorflächen und Gipfeln bis 1800 m. Es ist eine wilde und raue Gegend, in der man auch im Sommer in jedem Monat mit einem kurzen Schneeschauer rechnen kann. Unsere Gastgeber versichern uns, dass es außer Rehwild, Elchen und Rentieren gelegentlich Bären und Wölfe hier gibt und nicht ganz selten - und zum großen Leidwesen der Schafhalter - auch Vielfraße und Adler. Dennoch, ganz so unberührt, wie es den Anschein hat, ist diese Hochmoorlandschaft nicht: Seit jeher wird eine Sommerweidewirtschaft mit Schafen und Milchvieh betrieben und so sind bis auf eine Höhe von ca. 1000 m überall kleine Almgehöfte zu finden. Der traditionelle Almbetrieb wird allerdings nur noch vereinzelt dort betrieben, wo die Milch zwei mal in der Woche abgeholt werden kann und die meisten dieser kleinen Gehöfte sind außer Betrieb und verfallen. Geblieben sind die Schafe.

Unsere norwegischen Freunde haben vor acht Jahren die Almnutzung mit Rindern wiederbelebt. Die Nutzung des kargen Aufwuchses in den kurzen Sommermonaten in den Bergen erlaubt die Werbung des Winterfutters in den Tälern, und in den Bergen leisten die Rinder hochwillkommene Landschaftspflege. Und nicht ganz zuletzt ist es auch die Pflege der ländlichen Tradition in diesem Teil Norwegens, um die es unseren Freunden geht. Jetzt, zum kalendarischen Sommerbeginn, sind die Wiesen im Tal grün und in zwei Wochen kann vielleicht ein erster Silageschnitt erfolgen. (Man versucht hier, möglichst trockene Rundballen-Heusilage zu machen, weil es einerseits schwierig ist, gutes Heu zu gewinnen und weil andererseits Grassilage bei minus 20 - 30 Grad steinhart und nicht verfütterbar ist. Manche Bauern machen Heu mit aufwendigen Trocknungsgebläsen in der Scheune -Strom ist billig in Norwegen). In den Bergen ist es noch Frühling, das Gras wächst noch nicht, nur die Birken und Weiden tragen schon frisches Grün. Die umliegenden Gipfel sind noch von Schneeflecken bedeckt.

Die letzten Tage vor dem Abmarsch sind mit Klauenpflege und dem Umsortieren der Herden dahingegangen. Die einjährigen Färsen und zwei Kühe, die noch nicht gekalbt haben, bleiben zu Hause und einige Tiere mussten noch in das "Basislager" gebracht werden. Es sind zwei Herden, die sich schließlich auf den Marsch begeben: die Highlander, Kühe mit 2 - 3 Monate alten Kälbern und einigen zweijährigen Färsen und die Herefords, reinrassige Kühe mit Kreuzungskälbern und einige deckfähige Kreuzungsfärsen.

Die ersten Kilometer führen über eine große Straße, auf der aber am frühen Morgen noch kein Verkehr ist. Die Tiere sind nervös, brüllen und sind so schnell, dass wir kaum mitkommen. Glücklicherweise sind hier auf beiden Seiten der Straße noch Zäune und Leitplanken, so dass wir den Tieren ihren Lauf lassen können bis zur Abzweigung eines Schotterweges, der uns über 40 km in die Berge hineinführen wird.

Anfangs ein breiter Wirtschaftsweg, wird der Weg immer schmaler und holperiger, bis er schließlich nur noch zu Fuß oder mit einem geländegängigen Fahrzeug passierbar ist. Zu Beginn gilt es, die Herde noch zügig an einigen üppigen am Wege liegenden Wiesen vorbei zu treiben, dann aber geht der Weg durch den Wald. Die älteren Kühe, die .den Auftrieb schon kennen, haben jetzt die anfängliche Aufgeregtheit abgelegt und marschieren flott, die Highlands mit den Kälbern eng bei Fuß vorweg, die Herefords in einem gewissen Abstand hinterher - etwas behäbiger, etwas gemütlicher. Diese Marschordnung bleibt bis zum Ziel bestehen und stellt sich auch nach kürzeren Restaufenthalten immer wieder schnell ein.

Es wird eine richtige Bergwanderung. Die Nadelwälder bleiben bald zurück und es geht weiter durch einen Saum von lichten Birkengehölzen, niedrigen Weiden und Wacholder, die bei etwa 900 m die Baumgrenze markieren. Noch höher bedecken dicke Polster von Moosen und Flechten den moorigen oder steinigen Boden. Mit den Bächen, die den Weg kreuzen, haben die Tiere keine Probleme und auch die schmalen Holzbrücken, die hin und wieder über kleine reißende Flüsschen führen, werden von den erfahrenen Kühen ohne langes Zögern überquert, die Neulinge folgen rasch.

Nach gut 15 km erreichen wir am Nachmittag des ersten Tages das Nachtquartier für die Kühe. Es ist ein eingezäuntes Stück Wiese, das zu einem nicht mehr genutzten Sommergehöft gehört. Der Zaun hängt durch und ist vielfach defekt, aber der alte Lehrsatz: "Eine gute Weide ist der beste Zaun" bewahrheitet sich. Die hungrigen und müden Tiere verspüren keinen Drang weiter zu wandern und sind am nächsten Morgen vollzählig zur Stelle.

Es ist ein kalter und nasser Morgen. Es hat geregnet und auf den Bergspitzen liegt frischer Schnee. Vor uns liegen gut 25 km ohne wesentliche Steigungen. Gleich zu Beginn des Marsches ist aber ein Bach zu überqueren, der durch den nächtlichen Regen zu einem respektablen kleinen Wildwasser angeschwollen ist. Der Bach ist einige Meter breit geworden, reißend und in der Mitte fast 1m tief und zum ersten Mal bedarf es jetzt einiger "Überzeugungsarbeit" bis die ersten Highlandkühe sich in die Fluten stürzen. Die Kälber werden etwas abgetrieben, kommen aber alle gut hinüber, ebenso wie schließlich auch die Herefords und zu guter Letzt wir selber, dichtgedrängt und trockenen Fußes im hochbeinigen Geländefahrzeug. Am anderen Ufer haben sich die Herden inzwischen geteilt: Während die Herefords gemächlich dem in weiter Linkskurve verlaufenden Weg folgen, haben sich die Highlands zu einer "Abkürzung" entschieden und sich in das unwegsame buschige steile Gelände links des Weges geschlagen. Es wird in der nächsten halben Stunde ziemlich mühsam, die Tiere wieder auf den rechten Pfad zu bringen. Es ist schätzungsweise 3 Grad C, es nieselt und als schließlich die ganze Herde wieder auf dem Weg bergan versammelt ist, sind wir von oben bis unten klitschnass; nassgeschwitzt von der Rennerei, nass von dem schulterhohen tropfenden Buschwerk und auch in den Stiefeln quietscht es. Zudem entdecken wir erst jetzt, dass ein (Zwillings-)Kalb am anderen Ufer zurückgeblieben ist und sich auf den Heimweg gemacht hat. Zwei von uns fahren also mit dem Geländefahrzeug zurück, und es gelingt das Kalb einzufangen, die anderen marschieren mit der glücklich wieder auf dem Weg vereinten Herde weiter.

Nach 15 km eine kurze Rast im Windschatten einer Almhütte. Es gibt Tee und Suppe, die Stimmung ist gut, aber es ist elend kalt. Die Kühe machen keine Rast, sie wollen weiter und scheinen zu wissen, dass es jetzt nicht mehr weit ist. Die Gegend hier auf etwas über 1000 m bietet ihnen nicht viel Verlockendes - Steine, Flechten, Moose - und so bleiben sie jetzt auch unbeaufsichtigt auf dem Weg. Kein Tier lahmt, die Kälber laufen alle relativ dicht bei ihren Müttern und müssen alle paar Meter einige Trabschritte einlegen, um mit dem forschen Tempo der Alten mitzuhalten.

Nach weiteren 12 km ist es so weit: Wie das Gelobte Land liegt unser Ziel vor uns. In einem weiten Talkessel liegt, umgeben von Birkenwäldchen, Weidengehölzen und Wiesen ein großer Bergsee und am Ufer das Blockhaus, das sich ein reicher Engländer vor über hundert Jahren als Jagd- und Fischerhütte bauen ließ. Noch eine gute halbe Stunde geht es bergab aus der winterlichen grau-grünen Mondlandschaft der Steine und Flechten in den grünen Frühsommer am See, ein Flüsschen ist noch zu durchqueren und dann sitzen wir in der Hütte am Feuer, das unsere Vorhut schon in Gang gebracht hatte.

Anders als in einer reinen Wiesen-Weide haben die Tiere hier in den nächsten Monaten ein Nahrungsangebot, das ihnen erlaubt, sich sehr selektiv und feinschmeckerisch auf sehr unterschiedlichen Standorten und Höhen stets das Frischeste, Schmackhafteste und Bekömmlichste auszusuchen. Jetzt, wo der Grasaufwuchs gerade erst zögerlich beginnt, stehen die Tiere in den Büschen und fressen das erste zarte Blattwerk der Weiden und Birken. Obwohl das Leben hier mühseliger ist, als auf den satten Wiesen im Tal, entwickeln sich die Kälber hier oben besser und sind bei Abtrieb kräftiger und größer, als die, die aus irgendwelchen Gründen den Sommer im Tal verbracht haben - so die Beobachtung unserer Gastgeber.

Der Bulle, ein stattlicher schwerer Highlandbulle, hat hier kein ganz leichtes Leben. Die zwei Herden haben sich gleich nach der Ankunft wieder getrennt und die Tiere weiden weit auseinandergezogen rund um den See. Bis er alle Kühe gedeckt haben wird, hat der Bulle auf seinen Kontrollgängen täglich sicher 20 km hin und her zu marschieren und in den nächsten Tagen, die wir noch hier oben verbringen, sehen wir ihn einsam und unverdrossen seine weiten Wege gehen.

Die Tiere werden drei Monate hier bleiben und Mitte September, wenn es anfängt, richtig kalt zu werden und wenn nichts mehr wächst, wieder abgetrieben. Die Tiere halten sich ohne jede Einzäunung in dem weiten Kessel um den See auf und haben sich in all den Jahren nur einmal vorzeitig auf den Rückweg nach Hause begeben. Die oben erwähnten Raubtiere, die für die Schafe eine ernsthafte Gefahr darstellen, haben sich an die Kälber bisher nie herangewagt und nur äußerst selten verirrt sich einmal ein Wanderer, der einen zweitägigen Fußmarsch nicht scheut, in diese einsame Bergwildnis.


Erstveröffentlichung: Highland Cattle Journal, 5/2000, S.48

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